„Horst Weber, Dresden. Malerei“

Rede zur Ausstellungseröffnung

Mit Frau Weber. Foto: Ingeborg Finkbein

Galerie Finkbein, Gotha, 3. September 2000

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

erfrischende Farbigkeit atmet uns entgegen, wenn wir ab heute die Galerie Finkbein betreten. Bilder, fast ganz in Rosé oder in kräftigem Gelb gehalten – wie der Hafen Alt Sibinek, die südliche Stadt Split oder das Dorf am Berghang – Landschaften, Architekturen, schwimmende Inseln, die wie mit dem Messer scharf und geradlinig aus tiefblauen Seen geschnitten zu sein scheinen.

Es sind die Bilder Horst Webers, eines Dresdner Malers der „Jungen Generation“. Seine Malerei verrät das Erbe der Expressionismus-Rezeption seines Lehrers Heinz Lohmar. Doch auch die großen kräftigen Farbflächen und der sichere Duktus der Bilder Erich Fraaß’, eines weitern Lehrers von Horst Weber, scheinen in den Werken auf.

Es war 1960, als Horst Weber erstmals zusammen mit Gerhard Bondzin, Jutta Damme, Helmut Gebhardt, Herta Günther, Gerhard Kettner, Ursula Rzodeczko, Manfred Schubert, Christine Wahl, Fred Walther, Claus Weidensdorfer und Werner Wittig anläßlich der Ausstellung mit dem programmatischen Titel „Junge Künstler“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde.

1932 in der Nähe von Zittau geboren, hatte Horst Weber zunächst eine Lehre als Dekorationsmaler absolviert, an die er von 1952 an ein zehnsemestriges Studium der Malerei, Grafik und Wandmalerei an der Hochschule für Bildende Künste Dresden anschloß.

Wie seine Kollegen der genannten Ausstellung „Junge Künstler“ steht auch Horst Weber mit seinen älteren Arbeiten nicht für einen radikalen Neuanfang in der Malerei. Das expressionistische und kubistische Erbe, das seinen Bildern ablesbar bleibt, stellt sein Werk klar in eine Tradition erprobter künstlerischer Mittel. Der Kunsthistoriker Lothar Lang schreibt in seiner umfassenden Monographie zu malerei und graphik in der ddr: „Viele Künstler [der jüngeren Generation der Dresdner Maler] arbeiten im Banne von Traditionen“. Eine „eigenwillige Erneuerung der ‚Dresdner Schule’, den experimentellen, konzeptualistischen Aufbruch in der Kunst, sieht er eher in einer Gruppe von zumeist autodidaktisch ausgebildeten Malern realisiert, die sich um Peter Herrmann gruppieren. (Bekanntester dieser Gruppe ist Ralf Winkler unter seinem Pseudonym A.R. Penck).

Soviel zum künstlerischen und beruflichen Umfeld, in dem Horst Weber zu arbeiten und berühmt zu werden beginnt. Rückblickend (Lothar Langs Buch blickt zu Ende der 70er Jahre auf 1960 zurück) rückblickend erscheint Webers Werk als Kunst im Banne von Traditionen. Der Neuanfang scheint in den Arbeiten anderer Künstler realisiert. Aber verzerrt hier nicht der Rückblick das Bild? Welche Arbeits- und Bildungsmöglichkeiten bestanden, als Horst Weber zu malen begann? Mußte nicht, vor dem Hintergrund der Bibliotheksverbote, die verhindern sollten, daß die jungen Maler sich durch Katalogabbildungen an expressionistischer – das hieß damals an „dekadenter“ und „formalistischer“ – Kunst orientieren konnten, mußte nicht vor diesem Hintergrund eben die Aneignung dieser Traditionen selber als revolutionärer Akt verstanden werden? War nicht die Aneignung und Aufarbeitung der Traditionen wesentlich, um anderen Malern die Weiterentwicklung der künstlerischen Mittel eben auf dieser Grundlage überhaupt erst zu ermöglichen?

Horst Weber jedenfalls scheint – trotz oder gerade wegen dieses speziellen „Traditionalismus“ – hinreichend gesellschaftliche Schwierigkeiten gehabt zu haben. Er habe anfänglich „ein bissel hin- und herprobiert“, ob er nicht „auch wie Repin malen“ könne, wie es damals gefordert war. Das sagte Horst Weber 1993 in einem Gespräch, das der Kunsthistoriker Andreas Hüneke in einem Katalogbeitrag zitiert. Aber Weber konnte sich nicht so weit verbiegen und folgte seinem eigenen Weg. Wie schwierig dies war und bis zuletzt blieb, läßt ein Nietzsche-Zitat ahnen, das dem letzten Katalog von Arbeiten Horst Webers als Motto vorangestellt ist.

„Denn wer auf eigenen Wegen geht, begegnet Niemandem: das bringen die ‚eigenen Wege’ mit sich. Niemand kommt ihm dabei zu ‚Hülfe’, und mit allem, was ihm von Gefahr, Zufall, Bosheit und schlechtem Wetter zustößt, muß er selbst fertig werden. Er hat eben seinen Weg für sich, und auch seinen gelegentlichen Verdruß über dieses harte unerbittliche ‚für sich’: wozu es zum Beispiel gehört, daß selbst seine guten Freunde nicht immer sehen und wissen, wo er eigentlich geht, wohin er eigentlich will – und sich bisweilen fragen: wie? Geht er überhaupt? Hat er einen Weg?“

Der Katalog von 1997, der dies zum Motto hat, weist auch in der Anlage der dort abgedruckten Biographie Horst Webers auf die Relevanz hin, die der Künstler den gesamtgesellschaftlichen Ereignissen für sein persönliches Leben zumaß. Es ist dieselbe Biographie, die dann wieder auf dem Faltblatt In memoriam Horst Weber erscheint: „1933-1945 Faschismus - 1939-1945 Krieg – 1946-1949 Nachkriegshoffnung – 1949-1989 Kommunismus Sozialismus – seit 1990 Kapitalismus“, heißt es da ganz lapidar und ein bißchen hemdsärmlig, und nur ex negativo kann man hier die künstlerischen Vorbilder erschließen, die Horst Webers Studium beeinflußt haben müssen: „Verboten waren van Gogh, Corinth, die Brücke, Barlach“, so die Biographie.

Wie auch immer die internationale Kunstgeschichtsschreibung das Werk Horst Webers in ihren großen Bogen integrieren mag – freuen wir uns einfach an seinen Bildern. Immer vorherrschend ist in seiner Malerei nämlich der sichere Federstrich. Klare geometrische Strukturen gliedern so etwa das Gemälde der südlichen Stadt und legen ein zartgelbes Netz über die in tiefes Rosé getauchte südlich anmutende Atmosphäre des Stadtbildes (Split). Denselben Strich zeichnet die glasklare Linie aus, mit der die Schwimmende Insel sich aus dem See abhebt, mit dem die Häuser am Hafen von Alt Sibinek, das Dörflein am Berghang oder das Hausboot der Anlegestelle aus der zweidimensionalen Darstellung beinahe plastisch hervortreten. Zum Greifen nah erscheinen die Blätter und Beeren Im Weinberg, deren pastose Farbgebung sie dem Bildbetrachter entgegenwachsen läßt.

Die Farben, auch die Farbmischungen, sind immer klar, dicht, atmosphärisch. Sie werden keine heruntergelaufene Farbnase in einem Bild Horst Webers finden, keine Nachlässigkeiten, in der Not zum Ausdrucksmittel umdefiniert. Wo Horst Weber malt, da zeichnet er mit dem Pinsel, und er fängt messerscharf ein, was er an Eindrücken der Wirklichkeit ausgemacht hat, einfangen und vermitteln will.

Es ist dieses Scharfkantige seiner Bilder, das den Betrachter auch kubistische Spuren in seinen Gemälden ablesen läßt. Sehen Sie in Lilienstein das vom eigentlichen Bildgegenstand völlig unabhängige Netz von Linien, die in Farbe und Form vollkommen eigenständig über die Darstellung gelegt sind. Hier werden Bildsegmente aus der Darstellung ausgeschnitten, eine zweite Bildebene gliedert das Gemälde in voneinander unabhängige Farbflächen, die einen selbständigen Bildgegenstand ausmachen.

So zerfallen auch die Häuser, Torbögen und Fassaden in freie geometrische Formen von Dreieck, Halbkreis, Rechteck und Linie und verleihen der farbigen Fläche eine Eigenständigkeit, die sie von ihrem eigentlichen Bildgegenstand löst und über ihre Darstellungsfunktion hinaushebt. (Ich sehe hier durchaus das Erbe einiger Bilder seines Lehrers Erich Fraaß).

Lassen Sie mich hiermit schließen. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, wünsche Ihnen viel Freude an der Ausstellung, einen guten Griff beim Kauf eines Gemäldes und überhaupt einen schönen Sonntag.

Cornelie Becker-Lamers