Susanne Ramolla. Malerei und Graphik
Rede zur Ausstellungseröffnung
Kunsthaus Erfurt, 22. Januar 1999
Sehr geehrte Damen und Herren,
das Kunsthaus macht Sie heute mit dem Werk Susanne Ramollas bekannt. Ich möchte hierzu einführend einige Worte sagen.
Zunächst zur künstlerischen Biographie: Susanne Ramolla wurde 1967 in Cottbus geboren und mit 16 Jahren zur Bauzeichnerin ausgebildet. In diesem Beruf arbeitete sie bis zur Wende und schloß dann ein Farbgestaltungsstudium in Berlin und einen Besuch der Kunstakademie Enschede in den Niederlanden an. 1994 ermöglichte sie sich einen Arbeitsaufenthalt in New York und war 1996 und 97 Stipendiatin des Brandenburgischen Kulturministeriums bzw. der Ostdeutschen Sparkassenstiftung im Land Brandenburg.
Ausstellungen zeigten ihre Arbeiten bisher wiederholt in Enschede, in Cottbus, Potsdam und Dresden.
Das ist in dürren Fakten der Grundriß, der das Werk Susanne Ramollas umgibt. Am Werk selber sind drei Bereiche der Ausdrucksgestaltung auffällig: Es sind die drei großen F.s, die ein Werk ausmachen, nämlich Form, Farbe und Faktur. Diese Bereiche hervorzuheben, erscheint möglicherweise zunächst ein wenig tautologisch, weil Form, Farbe und Faktur – also die haptisch erfahrbare Struktur des Bildes – ja eben die Bereiche sind, die eine Malerei überhaupt bestimmen und beschreibbar machen. Dennoch ist es nicht tautologisch, da nur in seltenen Fällen in einem ‘Gesamtwerk’ Form, Farbe und Faktur in so auffälliger Weise gehandhabt und in so eigensinniger und einsinniger, geschlossener Weise ausgearbeitet werden, wie wir das bei Susanne Ramolla finden.
Kommen wir zur Form, so fällt der zeichnerische Duktus der Ölgemälde sofort ins Auge. In der Tat wird die Form eines Bildgegenstandes durch die Künstlerin in Zeichnungen ausgearbeitet, bevor sie die Arbeit in Öl beginnt. Die Ausdruckskraft, die der graphischen Reduktion der Zeichnung eignet, wird ins große Format übertragen und bleibt auch der Arbeit in Öl erhalten. Die Reduktion in der gestalterischen Formulierung der Bildgegenstände bringt uns dabei grundlegende Darstellungsmuster unserer Kultur zu Bewußtsein – ob Susanne Ramolla auf diese Muster zurückgreift oder in ihren reduzierten Formen erst herausarbeitet, möchte ich an dieser Stelle offen lassen. Interessant ist jedenfalls, wie wir hier gestalterischen Formulierungen abstrakter kultureller Bildinhalte begegnen: Der Ausblick beispielsweise, im oberen Stockwerk rechts zu sehen, zeigt etwas wie einen gigantisch in die Länge gezogenen Hocker, einen Hochsitz, läßt auch etwas von einem angestrengt gereckten Hals ahnen, reduziert jedenfalls die abstrakte Idee des Umschauens, des Aus- und Überblickens auf die Überhöhung und Überhebung, die seine Voraussetzung sind. Der Besitz von Großem, im oberen Stockwerk links zu sehen, kennen Sie bereits von der Einladungskarte her. Dargestellt ist ein Wagen. Bildinhalt aber ist nicht der Wagen, sondern die abstrakte Idee des Besitzes von – ebenso abstrakt – Großem, das hier durch die Schwerfälligkeit einer in ihrem Aufsatz überdimensionierten Lore oder einem hochgebauten Handwagen ins Bild gesetzt ist.
Der Besitz von Großem ist eine Studie nicht nur in der Form, sondern auch in der Wirkung der Farbe, dem zweiten großen Arbeitsbereich im Werk Ramollas. Der Besitz von Großem ist nämlich zweimal da: in überwiegend schwarzer und in überwiegend weißer Ausführung. Sie können die unterschiedliche Wirkung in der Assoziation von ‘Schwere’ und ‘Leichtigkeit’ gleich selber beobachten. Zur Farbgebung in den Bildern Susanne Ramollas ist zu sagen, was Sie ebenso gesehen haben: Auch die Farbigkeit erscheint wie im Zeichnerischen reduziert auf zwei Kontrastfarben. Fast sieht es so aus, als wollten Form und Farbe der Arbeiten beide zugunsten des jeweils anderen in den Hintergrund treten. Die Zurücknahme in der Farbigkeit in den vielen schwarz-weiß-Bildern hebt die ausgearbeitete Form hervor. Das Zurücktreten der Form läßt die Farbigkeit explodieren.
Die Arbeit an der Farbe ist einer der Gründe, weshalb Susanne Ramolla das Malen in Öl bevorzugt wählt: Wo die Farbe zum fast einzigen Bildinhalt wird, ist die Leuchtkraft und der Nuancenreichtum der Arbeit in Öl besonders wichtig. In der Herausarbeitung einer hundertfachen Abschattierung der Grautöne etwa im Bild Der Ausblick läßt das Ringen Susanne Ramollas um Farbnuancen das Ringen um die Sichtbarmachung von Schwarz und Weiß als Farben ahnen.
Die Technik der Öl-auf-Leinwand-Malerei hat dann aber auch mit dem dritten Gestaltungsbereich im Werk Ramollas zu tun: mit der Faktur oder Struktur des Bildes. Anders etwa als bei der Zeichnung, die für Form- und Farbgebung der Arbeiten Vorbild zu sein scheint, anders auch als etwa bei Acrylfarben bieten Ölfarben die Möglichkeiten deutlicher Strukturierung. Vielleicht stellt sich die Kunst Susanne Ramollas hier am bewußtesten in die Tradition des 20. Jahrhunderts, das für die Malerei als das Jahrhundert der Faktur bezeichnet werden kann: Seit 1923 Aleksandr Rodtschenko seine drei monochromen Bilder auf einer Ausstellung in Petrograd präsentierte, wurde das Herausarbeiten von Malstruktur als Inhalt monochromer Bilder zur großen selbstgestellten Aufgabe für das einstige „Tafelbild“, das sich in Werken wie etwa Günter Ueckers Nagelbildern dann endgültig in die Dreidimensionalität erhob. Man denke aber auch an Künstler wie Yves Klein, der durch die Beimischung verschiedener Materialien reliefartige Gemälde regelrecht baut.
Auch Susanne Ramolla nutzt die Beimischung und zwar von Sand zur Oberflächenstrukturierung der Bilder – am schwarzen Wagen, also Dem Besitz von Großem II, ist das beispielsweise deutlich sichtbar und fühlbar. Bis in die Collage hinein geht Ramolla dabei nie, es bleibt ansonsten bei den traditionellen Arten des pastosen Farbauftrags oder des Spachtelns. Sie werden beim Betrachten der Bilder die vielfältigen Weisen des streifigen, flächigen oder wolkigen Strukturierens im Farbauftrag nachvollziehen können.
Ich habe versucht, einige Besonderheiten in der Behandlung von Form, Farbe und Faktur im Werk Susanne Ramollas darzustellen. Die Beschreibungen können natürlich noch nichts über den künstlerischen Antrieb der Arbeiten aussagen. Ich denke, die Schaffensbasis liegt für jedes der Bilder in der Suche oder im Auffinden von Formulierungen und Gestaltungsmöglichkeiten abstrakter Erfahrungen und Ideen. Die Darstellung des Ausblicks und des Besitzes habe ich bereits genannt. Auch das Empfangende gibt es. Am Kopf der Treppe hängen die Tulpen aus Holland, deren flammendes Rot die ganze Intensität eines psychischen Erlebens dieses Landes in seinem Symbol der Tulpe einzufangen versuchen. Genauso legitim ist, nebenbei bemerkt, die Tulpen für eine ebenso eindeutige Darstellung von zwei einander gegenüberstehenden Rotweingläsern zu halten – eine Konstellation, die ja auch gelegentlich für sehr gut in flammendes Rot zu fassende intensive Erfahrungen stehen kann.
Für Bilder von Menschen oder Menschenpaaren, die den Kern einer Begegnung oder Beziehung oder einer Befindlichkeit gestalterisch auf den Punkt bringen, empfiehlt sich ein Blick in den sehr guten Katalog, der soeben zu Susanne Ramolla erschienen ist.
Ich möchte Sie nun Ihren eigenen Empfindungen bei der Ausstellung überlassen, danke für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen noch einen schönen Abend.
Cornelie Becker-Lamers