Skulpturenpark Weimar-Holzdorf
Ein Projekt für das Landgut Holzdorf als Außenstandort der Bundesgartenschau 2021
Die Geschichte des Landgutes Holzdorf ist eine Geschichte der Verluste. Dies gilt zumindest für die beweglichen Kunstgegenstände: für die Gemäldesammlung, die zu den bedeutendsten privaten Sammlungen impressionistischer Kunst der Zwischenkriegszeit zählte und sich mit ihren Landschaften und Portraits von Courbet, Renoir, Cézanne und Gauguin, von Degas, Picasso, Sisley, Signac und van Gogh, von Pissarro, Hodler, Toulouse-Lautrec, Fantin-Latour und anderen wie das Who-Is-Who der künstlerischen Moderne liest. Dies gilt auch für die etwa 20 Skulpturen, für Brunnen und Pflanzschalen, die Park und Herrenhaus des Gutes durch Sichtachsen zusammenbanden. Bildet die Gemäldesammlung seit 70 Jahren einen wichtigen Schatz der St. Petersburger Eremitage, so wechselten die Skulpturen nach ihrer Restituierung an die Erbin der Krebs'schen Vermögens, eine medizinische Stiftung zur Krebs- und Scharlachforschung, im Jahr 2008 bei Versteigerungen für Einzelzuschläge von bis zu 3,4 Mio £ den Besitzer. Zu Kriegsbeute und Verkauf kommen Zerstörung wie beim Relief Männliche Kraft von Joseph Heise und Diebstahl wie im Fall der Heise-Skulpturen Knabe mit Reifen und Mädchen mit Stab.
Geblieben sind dem Park Figuren von Joseph Heise an der Steinbrücke und am Badeteich. Ebenso Bänke und Blumenschalen wie die Krokodilsbank nahe dem Begoniengarten und die Schwanenbank zwischen Mann und Weib am Badeteich. Die übrigen Kunstschätze, die der erfolgreiche Manager der Mannheimer Strebelwerke, Dr. Otto Krebs, für seinen Sommersitz Holzdorf in den 1920er Jahren zusammentrug, werden vermutlich nicht nach Holzdorf zurückkehren.
Doch die Geschichte des Landgutes Holzdorf ist auch eine Geschichte des Wiedergewinns. Nicht nur die Diakoniestiftung, sondern auch Vereine und Privatpersonen arbeiten seit vielen Jahren konzentriert an einer Rekonstruktion des Parks wie an der Sanierung und Erhaltung des Herrenhauses, das mit seiner prächtigen Innenausstattung zum Eindruck des Gesamtkunstwerks Landgut Holzdorf beiträgt.
Im Jahr 2014 initiierten die Galerie Profil Weimar und die Diakoniestiftung gGmbH Landgut Holzdorf mit der Skulpturenbiennale Weimar-Holzdorf einen ersten Schritt, um den Wiedergewinn auf die einst so kunstgesättigte Ausstattung des Parks auszudehnen. Die leeren Sockel in Begoniengarten und Staudengarten werden seither temporär mit Skulpturen zeitgenössischer Bildhauer wiederbelebt. Exponate auf den Rasenflächen strukturieren während dieser Ausstellungen den Park mit neuen Sichtachsen, die sich auch ins Treppenhaus des Herrenhauses hinein verlängern und so dem Gesamtkunstwerk aus Haus und Garten Rechnung tragen. Im Jahr 2021 zeigt die Galerie Profil im Landgut Holzdorf als Außenstandort der Bundesgartenschau Erfurt Werke Thüringer Künstler. Zu sehen sind Plastiken und Skulpturen von Sylvia Bohlen, Michael Ernst, Robert Krainhöfner und Walter Sachs.
Betreten wir den Garten vom Parkplatz im Norden aus, treffen wir zunächst auf den Windzirkel des Metallbildhauers Michael Ernst. Diese kinetische Stahlskulptur, plaziert auf der Wiese vor dem Erker des Speisezimmers im Herrenhaus, greift den Standort eines der mehreren Springbrunnen auf, die Otto Krebs in der gesamten Gartenanlage anlegen ließ. Das Werk bildet in west-östlicher Richtung eine temporäre Sichtachse zur Kleinen Raumschwinge, die an den Treppenstufen zum Begoniengarten installiert ist. Diese ebenfalls kinetische Skulptur aus Stahl bespielt gewissermaßen die Bühne, die zu den gastfreundlichen Zeiten Krebs'scher Salonkultur hier aufgebaut war.
In den beiden Rondellen des Begonien- wie des Staudengartens begegneten den Flanierenden von Ende der 1920er bis in die 1950er Jahre zwei der wohl berühmtesten und bedeutendsten Figuren der Holzdorfer Sammlung: Eine florentinische Barockskulptur von unbekannter Hand, der sogenannte Sargträger im Begoniengarten und Das eherne Zeitalter (L'âge d'airain) von Auguste Rodin auf einem Sockel im ebenfalls bühnengleichen Rondell vor dem heckenbewachsenen Halbrund der Staudengarten-Pergola. Die steinernen Bassins links und rechts des Skulpturensockels im Staudengarten muß man sich zur Spiegelung der in Szene gesetzten Figur zu Otto Krebs' Zeiten mit Wasser gefüllt vorstellen. Die Standorte in beiden Rondellen bespielt dieses Jahr Walter Sachs mit ebenfalls figürlichen Skulpturen. Der Weimarer Walter Sachs gehört zu den namhaftesten Künstlern der Stadt und prägt das Stadtbild nahe dem Goethehaus seit mehreren Jahrzehnten mit einer seiner typischen Großskulpturen aus poliertem Marmor.
Schreiten wir also von der Kleinen Raumschwinge in östlicher Richtung weiter ins Rondell des Begoniengartens, umrunden Walter Sachs' Figur und wenden uns jenseits des Begoniengartens auf dem Hauptweg nach rechts in südlicher Richtung den Stufen zum Staudengarten zu.
Bevor die dichten Hecken den Blick auf das Tanzende Paar von Walter Sachs freigeben, fallen uns vier historische Sockel ins Auge, die einst mit vier kratérartigen Terracottagefäßen des Bildhauers Joseph Heise geschmückt waren. Aus der Höhe des Begoniengartens zum Stauendengarten hinabsteigend, präsentieren sich uns nun vier Büsten der Bildhauerin Sylvia Bohlen auf einen Blick: Friedrich Schiller, Träumer, Herr Krause und der Comedian. Sie ersetzen an dieser Stelle temporär die Heiseschen Gefäße, die sich dauerhaft im Depot der Klassikstiftung befinden. Mit ihren "Köpfen" aus glasiertem Steinzeug spürt Sylvia Bohlen der Mimik nach, die Berufe und Chrarakterzüge den Menschen bleibend ins Gesicht meißeln können.
Stehen wir genau mittig zwischen allen vier "Köpfen", öffnet sich links der Blick auf die Kalksteinskulptur Tanzendes Paar von Walter Sachs, rechts in östlicher Richtung auf die durch Heckenvorsprünge künstlich verengte Blickführung der Sichtachse auf einen Baumsolitär zu, der schon von Otto Krebs' Landschaftsarchitekten Franz Wirtz als Fluchtpunkt dieser Perspektive ausgewählt worden ist. In dieser Sichtachse, die auch ein weiteres steinernes Wasserbassin miteinbegreift und einst durch vier Pflanzschalen an den Versprüngen der Hecken eingerahmt wurde, sehen wir eine weitere Skulptur von Michael Ernst, die Windschere. Die zum Teil hochkomplexen und vielteiligen kinetischen Skulpturen des Bildhauers und Kunstschmiedes Michael Ernst reagieren organisch auf Bewegungen der Luft und balancieren nach einer Auslenkung in ruhigen Zügen zurück ins Gleichgewicht. Es ist ein immer wieder faszinierendes Schauspiel.
Schreiten wir den Staudengarten in westlicher Richtung zum Herrenhaus hin ab und wenden uns dann wieder rechter Hand nach Norden, kehren wir zum Ausgangspunkt zurück und stellen uns erneut auf die Rasenfläche vor dem Herrenhaus. So wie Parkanlage und Herrenhaus einander durchdringen - etwa durch die Blumenintarsien im Parkett des Speisezimmers wie durch eine die Konturen des Erkers abformende Steinbank östlich des Begoniengartens - so wird auch in dieser temporären Ausstellung zur BUGA 2021 die west-östliche Sichtachse aus Windzirkel und Kleiner Raumschwinge ins Haus hinein verlängert. Im Treppenhaus, von außen sichtbar und durch die aufgehende Sonne bis zur Mittagszeit vom Tageslicht in Szene gesetzt, sehen wir ein gefaltetes Acrylband des Bildhauers Robert Krainhöfner.
Für seine in PVC- und Stahlmodellen vorgeformten Plastiken schafft Robert Krainhöfner Sollbruchstellen im Material und bringt das Acrylglas durch langes Erhitzen zur Biegsamkeit. Ebenso arbeitet Robert Krainhöfner in Stahl und präsentiert den Besuchern die im Jahr 2013 in einer aufwendigen Performance auf offener Straße diagonal gefaltete Stahlskulptur Quadrat 180 sowie das Achtfach gefaltete Stahlband im Innenstadtraum am Goetheplatz.
Nicht nur zwischen Haus und Park, sondern auch zwischen Landgut und Stadt Weimar schafft der Skulpturenpark Weimar - Holzdorf im Rahmen der BUGA 2021 eine Verbindung.
Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar