„Dies ist mein Notizbuch“

Zu Werkverständnis und Arbeitsweise bei Philip Oeser

Die Strategie, aus Erinnerungen den Funken zu schöpferischer Arbeit zu schlagen, verbindet das Werk Philip Oesers in weiten Teilen mit Marcel Prousts Suche nach der verlorenen Zeit. Und in der Tat verhehlt Oeser in Gesprächen nicht, wie wichtig die Literatur der Moderne, und hier besonders Proust, für die Entstehung des eigenen Werkes ist. Das geht bis zu inhaltlichen Parallelisierungen: „Nordhausen ist mein Combray“, sagt er in Anspielung auf den in Prousts Recherche umkreisten Ort einer Kindheit, der in Gerüchen, Bildern und Handlungen im Gedächtnis wieder aufsteigt. Oesers Combray, seine „Ursubstanz“ (Oeser) also ist das Nordhausen, das nicht nur der Ort seiner Kindheit und Jugend, sondern als Geburtsstadt seiner ersten Frau Marlies Pape auch der Ort des zentralen Traumas im Leben des jungen Künstlers Helmut Müller ist. Nach Nordhausen kehrt er aus Westberlin zurück, nachdem er Frau und Kind verloren hat. Mit der Rückkehr in die DDR ist eine Weiche auch für das künftige künstlerische Schaffen gestellt. An diesem Punkt hätte alles anders kommen können. Nun ist das wie immer Zufällige der Biographie ins Unumkehrbare gespurt.

Dinggedächtnis

In den zu DDR-Zeiten Aufsehen und für die staatlichen Aufsichtsbehörden Anstoß erregenden Materialmonotypien, Collagen, Montagen und Assemblagen Philip Oesers tritt ein Arbeitsprinzip zu Tage, das auch die nach der Wende entstandenen Arbeiten prägt: Das „Dinggedächtnis“, d.h. der „Zeitindex [der Dingwelt], der mit der Gegenwart zugleich auch auf verschiedene Vergangenheitsschichten deutet“1, wird mit all seinen Implikationen im Kunstwerk aktiviert, indem aus der Kombination von Objekten oder ihres Abdrucks in der Montage gegenseitige Interpretationen der Dinge untereinander möglich werden. Statt des expressiven Ausdrucks einer künstlerischen Innerlichkeit suchen Oesers Werke schon sehr früh, die Eindrücklichkeit historisierter Objektivität selbst im Kunstwerk zum Sprechen zu bringen. Ob verkohlte Hölzer und abgenutzte Nägel (in den Wegekreuzen), ob bedrucktes oder von Hand beschriebenes Papier und verschnürte Pakete (in den Nachrichten aus Nürnberg/ Nachrichten aus N), ob Flügel und Federn, Insekten und Fledermausabbildungen, Muscheln und Schneckenhäuser (in Lilienthal, Der Stand der Dinge u.ö.) verbogene Mausefallen, verbranntes Kinderspielzeug oder funktionsuntüchtige Automatenpuppen – immer sind es die Dinge selbst, die mit all ihren Gebrauchsspuren und Defekten ungefiltert für ihre Abbildung und die Werkaussage gerade stehen.

Gewissermaßen als Agent des Kulturellen Gedächtnisses bewahrt Oeser dabei die traditionellen Inhalte und Kenntnisse der klassisch-humanistischen Bildung in seinen Werken auf. Cranachs und Dürers Eva werden hier bewußt gegen Warhols Marilyn Monroe oder andere Idole des Medienzeitalters gesetzt, die die Kunst- und Bilderwelt unserer Epoche dominieren. Oeser, der Kunst, Literatur und Religion als die eigentlichen Leistungen der menschlichen Kultur betrachtet, lenkt unseren Blick auf die Kunst der Renaissance, auf die Fraktur frühneuzeitlicher Inkunabeln, auf Schriftzüge in griechischen Buchstaben („Aphrodite“ in α und Ω/ Aphrodite – Abb. S. 118) und nicht zuletzt auf das Ideal familiärer Tradition und privater Archivierung. Denn wie kritisch auch immer die Auseinandersetzung mit Familienfotografien gerät: Hintergrund einer eingehenden Beschäftigung mit dem eigenen Herkommen bleibt doch das Vierte Gebot.

Fotografien vor allem der eigenen Familie (so in der Tagebuch-Serie), deren Verwendung in der Collage oder der Copygraphie das Werden unserer Biographien erhellen und als Spiegel einer ganzen Epoche dienen, spielen in Oesers Arbeiten der frühen 90er Jahre eine besondere Rolle. Was auch immer konkreter Inhalt des einzelnen Kunstwerks ist - in der Interpretation begegnet der Betrachter nie dem Künstler Oeser, sondern immer zunächst sich selbst, da er die Drucke und Collagen nur auf dem Hintergrund der eigenen Lebenserfahrungen verstehen kann.

Die Arbeiten Philip Oesers wirken wie die Übertragung eines geschichtsphilosophischen Werkes in den Bereich der Bildenden Kunst: Das Passagenwerk Walter Benjamins, dessen Absicht es war, „Material und Theorie, Zitat und Interpretation in eine gegenüber jeder gängigen Darstellungsform neue Konstellation zu bringen, in der alles Gewicht auf den Materialien und Zitaten liegen und Theorie und Deutung asketisch zurücktreten sollten“2, formt in seiner collageartigen Aneinanderreihung literarischer und historischer Originalfragmente einen theoretischen Hintergrund, vor dem die Arbeitsweise Philip Oesers besser verständlich wird. Aus der Einsicht heraus, daß auf dem Gebiet geisteswissenschaftlicher Arbeit „Erkenntnis nur blitzhaft“ möglich ist, war Benjamins Vorhaben erwachsen, „das Prinzip der Montage in die Geschichte zu übernehmen. Also die großen Konstruktionen aus kleinsten, scharf und schneidend konfektionierten Baugliedern zu errichten. Ja in der Analyse des kleinen Einzelmoments den Kristall des Totalgeschehens zu entdecken.“3 Es ist Oesers Methode der Assemblage von einander schlaglichtartig sich beleuchtenden Details, die Benjamin hier in der Theorie vorformuliert. In der „schockhaften Montage des Materials“ (Adorno) wird das Wesen einer Epoche oder eines Gegenstandes so unmittelbar eingefangen, daß der Betrachter sich der Evidenz der wortwörtlichen Zeugenschaft nicht zu entziehen vermag. Da es Benjamin wie Oeser dabei um die Epoche der Moderne zu tun ist – einer Zeit, deren Charakteristikum das immer schnellere Veralten von Erfindungen und Moden darstellt -, ist es folgerichtig die „Montage aus Abfällen“, die uns in beiden Werken als Quintessenz der Arbeit begegnet.4 Es dürfte dies einen wesentlichen Aspekt des Skandalons ausmachen, das Oesers Werke für die Kunstwächter eines sozialistischen Realismus darstellte.

„Flaschenpost“

In einer ersten Analyse von Oesers Arbeitsweise wird ein weiteres Programm deutlich, das der Grundstruktur seiner Werke unterlegt ist: Die Lesbarkeit jedes Blattes, jedes Objekts wird ganz bewußt dem Betrachter, seiner Zeit und seiner spezifischen Lebenssituation anheim gegeben. Der ganze Sinn eines Dinges nämlich mit all seinen Implikationen wird nie zu einem einzigen Zeitpunkt sichtbar sein und entzieht sich sogar der Intention des Künstlers selbst. Es ist dies ein Gedanke, der durch die Theoretiker der Frankfurter Schule um Theodor W. Adorno mit dem Begriff der „Flaschenpost“ belegt worden ist5 und der sich ebenfalls auf das Passagenwerk Walter Benjamins zurückdatiert:

„Der historische Index der Bilder sagt nämlich nicht nur, daß sie einer bestimmten Zeit angehören, er sagt vor allem, daß sie erst in einer bestimmten Zeit zur Lesbarkeit kommen. Und zwar ist dieses ‚zur Lesbarkeit’ gelangen ein bestimmter kritischer Punkt der Bewegung in ihrem Innern. Jede Gegenwart ist durch diejenigen Bilder bestimmt, die mit ihr synchronistisch sind: jedes Jetzt ist das Jetzt einer bestimmten Erkennbarkeit. In ihm ist die Wahrheit mit Zeit bis zum Zerspringen geladen. (Dies Zerspringen, nichts anders, ist der Tod der Intentio, der also mit der Geburt der echten historischen Zeit, der Zeit der Wahrheit, zusammenfällt.) Nicht so ist es, daß das Vergangene sein Licht auf das Gegenwärtige oder Gegenwärtige sein Licht auf das Vergangene wirft, sondern Bild ist dasjenige, worin das Gewesene mit dem Jetzt blitzhaft zu einer Konstellation zusammentritt.“6

Welcher Sinngehalt eines Werkes sich für einen Betrachter aktualisiert, ist abhängig von dessen Zeit, dessen Lebensumständen, dessen Erfahrungen, dessen Vorwissen etc. Wie der Gestrandete eine Flaschenpost ins Meer wirft und es dem Schicksal überläßt, von wem und wann sie gelesen und wie und ob verstanden wird, so setzt der Künstler ein Werk in die Welt, weitgehend ohne Kontrolle über seine Rezeption. Was freilich nicht heißt, daß Interpretationen beliebig seien. Aber sie sind vom Künstler selbst nicht steuerbar - ebensowenig steuerbar wie Art und Vielzahl der Erinnerungsspuren, die sich Dingen einprägen, mit denen man wohnt und lebt; ebensowenig steuerbar wie Leben überhaupt.

Besonders deutlich macht diese strukturelle Unkontrollierbarkeit von vielschichtiger Implikation und individueller Rezeption der Kunst der Briefumschlag aus Das Helle und das Dunkle (Collage, 2001 – Abb. S. 119) - ein Werk, das die Kontingenz dinglicher Gebrauchsspuren geradezu ostentativ ins Bild setzt: Ein Briefumschlag, mit einem rostenden Nagel beschwert, war 10 Jahre auf dem Fensterbrett eines undichten Fensters liegengeblieben. Aufgeschnitten und ausgebreitet, gibt der ehemalige Umschlag nun Regen- und Rostspuren preis, die der vom Künstler organisierte Zufall ihm beigebracht hat. Daß das hinzugesetzte Frakturschrift-„m“ laut eignen Angaben des Künstlers auf die „makulatur“ im Sinne einer „Befleckung“ verweist, ruft im Gegenzug die „immaculata conceptio“ der von der Erbsünde freien Heiligen Jungfrau auf. Das Kunstwerk, hieße dies, entsteht nicht ohne Gebrauchsspuren. Künstlerische Konzeption geschieht nicht unbeschwert.

Es sind auch dies konzentrierte Spuren des Wohnens, die Oeser auf dem Briefumschlag einfangen wollte. Darauf verweisen nicht zuletzt die Schneckengehäuse, die als Abdruck auf dem Briefumschlag selber auftauchen und die gesamte zweite Bildhälfte bestimmen. Bemühen wir noch einmal Walter Benjamin, der im Zuge seiner sezierenden Analyse des 19. Jahrhunderts auch das für diese Epoche so wichtige Thema des Wohnens bearbeitet hat. Der Terminus des „Gehäuses“ gerinnt ihm dabei zum Inbegriff der wilhelminischen Daseinsform, die von strikten Benimmregeln - „A lady doesn’t move“ (man denke an die ‚perfekte Gesellschafterin’, die Automatenpuppe(!) Olimpia aus E.T.A. Hoffmanns Sandmann) - bis hin zu den „Vatermördern“ und den körperdeformierenden Fischgrat-Korsetten der Damen über mehrere Generationen hinweg die Menschen wie Präzisionsinstrumente in Futterale ‚wegräumte’ und verschloß:

„Die Urform allen Wohnens ist das Dasein nicht im Haus sondern im Gehäuse. Dieses trägt den Abdruck seines Bewohners. Wohnung wird im extremsten Falle zum Gehäuse. Das neunzehnte Jahrhundert war wie kein anderes wohnsüchtig. Es begriff die Wohnung als Futteral des Menschen und bettete ihn mit all seinem Zubehör so tief in sie ein, daß man ans Innere eines Zirkelkastens denken könnte, wo das Instrument mit allen Ersatzteilen in tiefe, meistens violette Sammethöhlen gebettet, daliegt. Für was nicht alles das neunzehnte Jahrhundert Gehäuse erfunden hat: für Taschenuhren, Pantoffeln, Eierbecher, Thermometer, Spielkarten – und in Ermangelung von Gehäusen Schoner, Läufer, Decken und Überzüge. Das zwanzigste Jahrhundert macht mit seiner Porosität, Transparenz, seinem Freilicht- und Freiluftwesen dem Wohnen im alten Sinne ein Ende.[...] Der Jugendstil erschütterte das Gehäusewesen aufs tiefste. Heut ist es abgestorben und das Wohnen hat sich vermindert“.7

So transportieren die Schneckengehäuse neben ihrer Vergänglichkeitssymbolik m.E. bei Oeser immer auch die Bedeutung eines Wohnens, das in seiner Vertrautheit und Paßgenauigkeit ständig zwischen Geborgenheit und Enge oszilliert.

Zentrales Thema wird dieses Wohnen mit der Verwendung alter Familienfotografien in der Tagebuch-Serie, einem copygrafischen Zyklus, der aus der Collagefolge Familienalbum (1992 – Abb. S. 208-209) hervorgegangen ist.8 „Plüsch – der Stoff, in dem sich besonders leicht Spuren abdrücken“ (Benjamin) – wird hier zusammen mit der Leblosigkeit gestellter Atelierfotografien zum Signum einer Epoche, die in der Zersetzung der „klassischen“ Abbildung eines eingezwängten Kindes in ihrer Verlogenheit seziert wird.

Inventur

In den Jahren 1992/93 entsteht die erwähnte Tagebuch-Serie Philip Oesers (Abb. S. 95 – 99, 210 – 216) als 24teiliger Zyklus virtueller Collagen, in denen die zusammenwirkenden Dinge nicht realiter verklebt, sondern in transparenten Schichten übereinander kopiert erscheinen.9 Die Tagebuch-Blätter markieren auf zweierlei Weise einen Einschnitt, einen Abschnitt im Leben Oesers. Technisch gesehen wird die Arbeit in dieser Form erst möglich, als man nach der Wende auch in den Neuen Ländern frei über Kopiergeräte verfügt. Inhaltlich stellen sie eine auf umfängliche Tagebuchaufzeichnungen sowie Familienfotos gestützte Rückbesinnung auf die eigene Biographie und das eigene Herkommen dar. Ergänzt werden die persönlichen Dokumente durch Bildelemente aus dem objektiven Schatz kulturellen Erbes, die sich der Künstler in intensiver Beschäftigung angeeignet und so ebenfalls subjektiviert hat. So finden sich neben Porträts der eigenen Eltern und Großeltern (TB 2, TB 5, TB 8 u.ö.), neben der Fotografie der in Chicago als Wäscherin angestellten Großmutter (TB 6, TB 19, TB 20) auch die Spuren anderer Künstlerbiographien wie etwa der Egon Schieles in der Tagebuch-Serie wieder. Solche fremden Fotos (vgl. TB 12, TB 17 u.ö.) werden zum einen aus formal-ästhetischen Gründen verarbeitet, zum andern aber auch, wenn Parallelen in der familiären Konstellation Oeser Aufschluß über den eigenen künstlerischen Werdegang geben konnten.

Die häufig in aufgeschlagenen (Tage)Büchern gründenden Bildanlagen der Tagebuch-Serie lassen die senkrechte Spiegelachse zum vorherrschenden Gestaltungselement der Blätter werden (sichtbar in fast allen Blättern, besonders hervorgehoben in TB 20). Die versuchte Selbstbespiegelung im fremden Eigenen wie die Reflexion des eigenen Fremden werden so als die thematisch verbindende künstlerische Substanz des copygraphischen Zyklus markiert.

Ihre stilistische Heterogenität verdanken die Tagebuch-Blätter nicht zuletzt der Adaption eines weiteren historischen Elementes: der in der Forschung gemeinhin als „Meisterstiche“ bezeichneten Arbeiten Albrecht Dürers (Abb. S. 88). Ritter, Tod und Teufel (entstanden 1513), Melencolia I (1514) und Sündenfall (auch Adam und Eva, 1504) tauchen in der mehr oder weniger verfremdenden Form von Teilausrissen in vielen der Tagebuch-Blätter auf. (Eigenartig: Es fehlt ausgerechnet der Hieronymus im Gehäus.) Die intensive Beschäftigung mit den Stichen Dürers, die nicht nur den Restaurator Oeser interessierten, findet auch in Materialdrucken wie dem Melancholie-Fragment mit verkohltem Holz (1985) sowie etwa den Nachrichten aus N ihren Niederschlag. Zum ästhetischen Reiz der alten Stiche kommt eine weitere Spiegelung als Bedeutungsebene hinzu: Ein „N“ chiffriert hier nicht nur Dürers Nürnberg, sondern wiederum auch Oesers „Combray“ Nordhausen.

Auch amtliche Poststempel stellen eine feste Gestaltungsgröße in jedem dieser Tagebuchblätter dar. In einer Reproduktion, die auf die gute Lesbarkeit der Daten stets geachtet zu haben scheint, finden sich Poststempel aus Washington, London, Locarno, Barcelona, Paris, aus Stralsund, Wilhelmshaven, Nürnberg und auch – die Antwort gewissermaßen mitliefernd – aus dem Weimar der Nachwendezeit. So häufig und stets so auf Leserlichkeit bedacht plaziert sind diese Stempel, daß sie mit dem Zitat einer Datierung – und damit einer vergangenen Zeit – zentral für den Aussagewert der jeweiligen Blätter zu sein scheinen. Wie der Künstler selber mitteilt, fiel die Wahl des jeweiligen Poststempels in der Tat nicht nach dem Kriterium exotischer Herkunft, sondert nach dem Kriterium der Datierung. Der Tag des Stempels fällt meist in den Entstehungszeitraum der jeweiligen Arbeit. Der Poststempel ersetzt damit eine Werkdatierung, die heute für gewöhnlich jenseits des Kunstwerks, auf einer ‚Metaebene’ am Rande des Bildes vorgenommen wird. Eine solche, die übliche Datierung, setzt eine bewußte Distanzierung von Kunstwerk und Welt – gleichsam von Kunst und „wirklichem Leben“ – in Szene und markiert die ästhetische Schwelle, die das Kunstwerk begrenzt und vor einer Beurteilung im außerkünstlerischen Sinne schützt. In Oesers Tagebuch-Serie rückt die Datierung und zeitliche Einordnung des Werkes als bedeutungstragendes Bildelement neben die anderen Utensilien in die Arbeit selbst ein.

Wie bei der Verwendung von Schrift, die in Oesers Werken stets in ihrer ornamentalen wie in ihrer semantisch bedeutungstragenden Funktion betrachtet werden muß, so besitzt auch der Einsatz der Poststempel in den Tagebuch-Blättern eine inhaltliche wie eine formale Dimension: Dem informativen Charakter als Datierungsträger tritt der formal-ästhetische Aspekt der kleinen, geschlossenen Kreisform des Stempels als Ruhepol in der Darstellung an die Seite.

Doch auch inhaltlich erfüllen die Poststempel noch einmal eine Doppelfunktion. Zum einen spielen sie auf die Amtlichkeit einer Mitteilung an, für die eine Datierung relevant ist: „Es genügt das Datum des Poststempels“. Lesbarkeit ist hier von großer Wichtigkeit. Die Tagebuch-Blätter scheinen sich hier ihres Dokumentcharakters versichern zu wollen: Die Rekonstruktion der Erinnerung stützt sich im nachweisbaren Hintereinander historischer Fakten ab. Zugleich aber verweist der Poststempel eben auf die Zufälligkeit einer richtigverstandenen Rezeption. Der Absender gibt seine Mitteilung aus der Hand und vertraut sie mit Briefeinwurf denen an, die sich als Überbringer der Nachricht für zuständig erklären. Die Zuverlässigkeit der Kuriere kann nicht mehr kontrolliert werden: Das Kunstwerk ist eine Flaschenpost.

Vergleichbar einem Gedicht, das Günter Eich in der frühen Nachkriegszeit verfaßte, stellt Oesers Tagebuch-Serie somit eine Art „Inventur“ dar. Die auf den ersten Blick so bunt kombinierten Versatzstücke aus kulturellem Erbe und biographisch Eigenem, aus objektiver Historie und individuell Erinnertem halten einen Status quo fest, auf dem der Künstler nun, nach dem Umsturz einer ganzen Welt, aufbauen kann:

 

Inventur

Dies ist meine Mütze,/ dies ist mein Mantel,/ hier mein Rasierzeug/ im Beutel aus Leinen.// Konservenbüchse:/ Mein Teller, mein Becher,/ ich hab in das Weißblech/ den Namen geritzt.// Geritzt hier mit diesem/ kostbaren Nagel,/ den vor begehrlichen/ Augen ich berge.// Im Brotbeutel sind/ ein paar wollene Socken/ und einiges, was ich/ niemand verrate,// so dient es als Kissen/ nachts meinem Kopf./ Die Pappe hier liegt/ zwischen mir und der Erde.// Die Bleistiftmine/ lieb ich am meisten:/ Tags schreibt sie mir Verse,/ die nachts ich erdacht.// Dies ist mein Notizbuch,/ dies meine Zeltbahn,/ dies ist mein Handtuch,/ dies ist mein Zwirn.10

 

Spiegel

Neben den Poststempeln finden sich andere amtliche Stempel in die Tagebuch-Blätter integriert: Das Signet eines Fotografenateliers in der Jackson Avenue, Chicago (TB 20), der Briefkopf der Royal Academy of Arts, London (TB 3, TB 5), der Stempel des sächsischen Standesamtes Kirchberg (TB 20) und dann auch der Stempel der Humboldtschule Nordhausen (TB 22). Wie schon Renate Müller-Krumbach festgehalten hat, läßt der weitausgreifende Rückblick, den die Tagebuch-Serie darstellt, eine Suche nach Spuren der ersten Frau Oesers, Marlies Pape, zunächst vergeblich erscheinen: „Weder ihr Name noch ihr Portrait werden irgendwo zitiert.“11 In TB 22 findet sich lediglich der Namenszug ihres Vaters, Rudolf Pape, der jedoch, wie der Künstler Auskunft gibt, zunächst nur für das alte, vom Krieg noch unversehrte Nordhausen steht: Pape war Besitzer einer Malzfabrik, und sein Name ist untrennbar mit der alteingesessenen Bürgerschaft der Stadt verbunden.

Der Namenszug Rudolf Papes ist jedoch, wie auch der Schulstempel, von der Unterschrift im Abiturzeugnis seiner Tochter Marlies übernommen.12 So wird der Stempel als Verweis auf ihr Leben in der Tagebuch-Reihe eingeführt. Das Wort „Nachricht“ – in den Nachrichten aus N (Abb. S. 106, 107) 1994 noch einmal zum titelgebenden Element zweier Copygraphien gemacht –, die Totenglocke aus Dürers Melencolia I sowie die Totenschädel aus dem Stich Ritter, Tod und Teufel liest schon Renate Müller-Krumbach als Verweis auf Marlies Papes tragischen Tod.13

Meines Erachtens hat Marlies Pape in einem weiteren Element Eingang in die Tagebuch-Serie gefunden. Denn sie selber schaut die Blätter an, ihre Perspektive ist in die Copygraphien integriert. TB 17 nämlich reproduziert ebenfalls den Stempel der Humboldt-Schule, aber spiegelverkehrt. Es ist der Blick dessen, der von jenseits der Spiegel her liest, der uns in TB 17 begegnet.

Sehen wir, zur Untermauerung dessen, ein weiteres Blatt an, das mit TB 17 beinahe motivgleich ist: Es ist das Blatt TB 12. Beide Arbeiten basieren auf einer Fotografie der Familie Schiele aus dem Jahr 1892 sowie Ausrissen aus Dürers Sündenfall. Grundlage beider Werke ist, wie häufig auch hier spiegelverkehrt, ein aufgeschlagenes Tagebuch Philip Oesers. Die Familienfotografie der Schieles gibt neben dem späteren Maler Egon Schiele (bei Oeser wie auf der Originalabbildung jeweils links im Bild auf einem Schaukelpferd sitzend zu sehen) dessen Eltern (nur in TB 12) und die älteren Schwestern Melanie und Elvira (nur in TB 17, rechts im Bild) wieder. Elvira diente Egon Schiele späterhin u.a. als Aktmodell und steht bei Oeser für die verdrängte Erotik im scheinbar keuschen Schoß der wilhelminischen Kleinfamilie. Dürers Sündenfall liefert Oeser die Bildelemente Adam, Eva, Apfel, Schlange sowie die Symboltiere Elch, Kaninchen, Katze und Ochse, die nach der ‚klassischen’ scholastischen Temperamentenlehre für melancholischen Trübsinn, sanguinische Sinnlichkeit, cholerische Grausamkeit und phlegmatische Schwerfälligkeit stehen.14

Bei der Frage, welche Teilaspekte der beiden Ausgangsbilder in TB 12 und TB 17 zu einer jeweils neuen Bildaussage verknüpft werden, läßt sich für TB 12 wohl die Erotik als grundlegendes Thema festhalten: Vollständig, wenn auch in zwei Teile zerrissen reproduziert, findet sich hier Dürers Eva. Ihr langes offenes Haar, ihr Schoß sowie die Hand, die mit dem Apfel die gewundene Schlange füttert, sind deutlich als Bildinhalte auszumachen. Von Adam finden wir den nach Eva hin ausgestreckten Arm wieder. Der obligatorische Poststempel, doppelt wiedergegeben und somit als Teil der Bildaussage unterstrichen, stammt vielleicht doch nicht ganz zufällig aus der Stadt der Liebe, Paris, und der Kopf des Elches kann als Signum der Melancholie auf den „ennui“ nach einem aus rein körperlicher Lust vollzogenen Liebesakt verweisen.15

Im Vergleich mit TB 12 fällt in TB 17 nun das fast vollständige Fehlen Evas auf. Zwar haben wir deutlich Evas Hand, die den Apfel entzieht (im Bild oben rechts), doch haben wir vor allem Adam - aber was für einen Adam: Entstellt ist sein Gesicht, das verdoppelte Geschlecht – einmal im Körperverlauf Adams und dann noch einmal kopfgestellt im Schoß des kleinen Egon wiedergegeben – scheint förmlich um sich selbst zu kreisen. Am unteren Bildrand findet sich das Paar der zum Sprung auf eine Maus ansetzenden Katze aus Dürers Stich. Erwin Panofsky sieht hierin die zerstörerische Seite der Erotik symbolisiert.16 TB 17 zeigt keinen Poststempel. Wir haben dafür den Stempel der Humboldtschule Nordhausen, aus dem Spiegel gelesen. Eva, wie gesehen, fehlt: Sie steckt im Spiegel. In der Copygraphie Spuren – mit Eva (Abb. S. 102) ist 1993 die Verbindung der Dürerschen Eva mit dem Schulstempel aus Nordhausen noch einmal festgeklopft worden: Verbunden nun mit der Vergänglichkeitsmotivik der Fliegen und der leeren Schneckenhäuser finden sich beide Elemente auf einem Blatt.

Daß der ursprünglich immer als Wasserspiegel zu denkende Spiegel von alters her als Pforte zum Totenreich gilt, ist in Abhandlungen zum Aberglauben mit einer Vielzahl von Beispielen belegt.17 Gibt es aber einen weiteren Fingerzeig für die These, daß in der Spiegelverkehrung des Stempels bei Oeser, in der Tagebuch-Serie, an eine Perspektive aus der jenseitigen Welt zu denken wäre? Es gibt ihn, denn TB 15 zeigt eine Mädchenfotografie Lewis Carrolls, des Erfinders der Alice hinter den Spiegeln. Da bei Oeser in der Reproduktion von Büchern und Handschriftlichem häufig genug eine lesbare, nicht spiegelverkehrte Version der Schriftwerke auftaucht, stellt sich mithin sogar die Frage, inwieweit bei der Spiegelverkehrung der Diarien im Tagebuch-Zyklus der Blick aus dem Innern der Bücher, aus dem Innern des Spiegels immer mitgemeint ist. Dem Ornamentcharakter, der - wie erwähnt - der Verwendung von Schrift im Werk Oesers immer auch eignet und selbstverständlich insbesondere den Einsatz von Spiegelschrift bestimmt, würde so - als Metaebene - eine inhaltliche Bedeutsamkeit in der Tagebuch-Serie zur Seite gestellt. Die Kommunikation, die den Prozeß des Erinnerns ja überhaupt ausmacht, fände in der Tagebuch-Serie dann immer schon als Dialog mit dem oder der Beschriebenen statt. An dieser einen Stelle zumindest wüßte die „Flaschenpost“ sich sicher angekommen und verstanden.

2002 – Konkrete Kunst?

Ab Ende 2001, mit den meisten Arbeiten aus dem Jahr 2002, ist eine völlig neue Phase der Kunst Philip Oesers zu beobachten: Es entsteht jetzt Konkrete Kunst. Auch diese Phase der Kunst ist – wie die Copygraphien - nicht unabhängig von veränderten äußeren Bedingungen und neuen künstlerischen Arbeitsmöglichkeiten. Der Umzug in ein neues Haus mit geräumigerem Atelier erlaubt es Oeser, eine professionelle Druckerpresse anzuschaffen, so daß der Prägedruck als künstlerische Ausdrucksmöglichkeit in den Bereich des Machbaren rückt. So sind die neuen Arbeiten der Konkreten Kunst auch Arbeiten in Prägedrucktechnik: Gesetz und Zerfall I und II, das Weiße Blatt mit Mal und die Morbiden Fragmente im Spiegel-Krebsgang I und II18 (Abb. S. 130 – 131, 133 – 135) spielen zunächst mit den Effekten des in Kreisen und Quadraten ins Relief gebrachten Papiers.

Wenn bei diesen neuesten Arbeiten auch nicht von einer Serie oder einem Zyklus gesprochen werden kann – und auch von Oeser nicht gesprochen wird -, so wird doch die zeitliche Abfolge der Werke, eine Verwandtschaft untereinander und eine fortlaufende Beeinflussung deutlich: Die Morbiden Fragmente greifen ein Detail aus den ersten Konkreten Arbeiten auf und reizen es in der künstlerischen Gestaltung voll aus: Der Spiegel-Krebsgang, der in der Abfolge der Seitenzahlen in der Referenz-Doublette von Gesetz und Zerfall bereits die Gestaltung des Werkpaares bestimmt, tritt hier, im Titel verdeutlicht, in den Vordergrund.

Der Spiegel-Krebsgang kommt als Begriff aus der musikalischen Fugentheorie in Oesers Werke. Von der Definition her meint „Spiegel-Krebsgang“ die notengetreu rückläufige Wiedergabe einer Melodie, die zusätzlich horizontal gespiegelt erscheint: Eine in die Tiefe leitende Melodieführung erklingt intervallgleich in die Höhe und umgekehrt.19

In Gesetz und Zerfall I wird ein Teil des „Gesetzes“ durch die Reihe der Seitenzahlen abgebildet, die von der Nummer 137 bis zur Nummer 155, die geraden Zahlen jeweils überspringend, rechts oben beginnend, die einzelnen Reihen abwärts und die Reihen von rechts nach links gelesen aufsteigt. ‚Rohmaterial’ der Seitenausrisse ist übrigens ebenfalls ein „Gesetz“: ein ausgedientes DDR-Gesetzbuch zum Arbeitsrecht, das Oeser aus dem Papiermüll gefischt hat. Diese Ordnung von Gesetz und Zerfall I kehrt sich im Folgebild um: Das Gesetz der Seitenzahlen führt die aufsteigende Reihe hier, wiederum in ausschließlich ungeraden Zahlen von 173 bis 189, links unten beginnend, die einzelnen Reihen nach oben und die Quadratreihen von links nach rechts entlang.

Die doppelte Spiegelung bestimmt auch Form und Anordnung der Papierfetzen in den Morbiden Fragmenten. In Holzbeize vorgefärbte Papiere bilden in Teil I des Werkpaares eine Struktur, die die vertieften Kreise des Prägedrucks in zwei einander korrespondierende Gruppen teilt: Die untere Reihe stellt den Spiegelkrebsgang der oberen Reihe dar. In Morbide Fragmente II ist noch das Blatt selber durch die Umkehrung der Prägung in beiden Blatthälften in die Spiegelung einbezogen: In der linken Hälfte ist das Quadrat vertieft, auf dessen Untergrund sich eine erhöhte Kreisstruktur abhebt. In der rechten Blatthälfte liegt der Kreis vertieft in der erhabenen Umgebung. Je vier Paperfetzen, brüchig, abgegriffen, vergilbt oder angebrannt und mit Stockflecken verschmutzt – „morbide“ eben – sind, spiegelverkehrt überlappend, an den Kreisen angeordnet.

Von der reinen Ästhetik Konkreter Kunst abgehend, legt der Titel von den „Fragmenten“ eine inhaltliche Deutung der Blätter nahe: Dezidiert als „Fragment“ ist nur zu bezeichnen, was von der perfekten und unversehrten Form her als unvollendeter Teil gedacht wird. Ex negativo ruft der Begriff des „Fragments“ daher das Ganze einer Form auf. So wohnt den Bildern des zerfetzten, zerlesenen und abgegriffen Papiers der Gedanke der unversehrten, perfekten Seite – des unversehrten Lebens – inne. Im selben Sinne deutet auch das Weiße Blatt mit Mal im Titel explizit auf Versehrtheit und Verletzung hin: Wie mit einem Zeigefinger scheint das „Mal“ aus verbranntem Stoff, exponiert auf einer erhabenen Kreisform, auf die in der Geborgenheit ihrer Vertiefung unversehrte untere Blatthälfte zu deuten – „Schau, so sah ich auch mal aus“.

Die Vielzahl der sich auch für die Arbeiten der bisher jüngsten Schaffensperiode Oesers anbietenden inhaltlichen Interpretationen legt die Frage nahe, ob hier überhaupt von Konkreter Kunst gesprochen werden kann. Sicherlich widerspricht die Anlage der Werke nicht den Definitionen, wie sie etwa Max Bill 1944 in seinem „Standpunkt“ formulierte: „konkrete kunst nennen wir diejenigen kunstwerke, die aufgrund ihrer ureigenen mittel und gesetzmäßigkeiten, ohne äußerliche anlehnung an die naturerscheinungen, also nicht durch ‚abstraktion’ entstanden sind.“20 Dennoch kann man sehen, daß es nicht das Anliegen von Oesers Arbeiten ist, lediglich die konkreten, objektiven bildnerischen Mittel von Linie, Fläche, Farbe und Raum in gleichsam jungfräulicher, musikalischer Ästhetik hervortreten zu lassen. Die sprechenden Titel von Morbidität, Fragmentarität und Versehrtheit („Mal“) verweisen ebenso zwingend auf den Aspekt inhaltlicher Deutung wie die Bildelemente der Textausrisse selber. Denn wo in den Mobiden Fragmenten I über den klaren Strukturen der einer frühneuhochdeutschen Inkunabel entnommenen Halbkreise die zerfetzten Seiten eines stockfleckigen Buches erscheinen, bleibt es relevant für die Deutung des Werkes, daß diese kränkelnden Textausrisse vom Wettbewerb der Brigaden und dem Ehrentitel eines Aktivisten des Fünfjahresplanes sprechen. Was auch immer Oeser in den kommenden Jahren noch erschaffen mag: Konkrete Kunst im Sinne rein formaler oder gar nach aleatorischen Prinzipien entstandener Arbeiten wird unter seinen Werken nie zu finden sein.

Cornelie Becker-Lamers

 

Der Text erschien zuerst im Druck in: Philip Oeser, hg. vom Thüringer Landesmuseum Heidecksburg Rudolstadt und der Kunsthalle Erfurt [Künstler in Thüringen Bd. 8] Zwickau: Förster & Borries GmbH 2003, S. 85 – 92. Auf diese Ausgabe beziehen sich alle Seitenangaben des Textes.

Lothar Lang, Das Prinzip Collage bei Philip Oeser, in: Marginalien. Zeitschrift für Buchkunst und Bibliophilie, hg. von der Pirckheimer Gesellschaft, 173. Heft (1, 2004) Wiesbaden: Harrassowitz, S. 48 – 53, rezensiert den Band Philip Oeser und schreibt: „Das Kapitel Dies ist mein Notizbuch und die Auszüge aus den Tagebüchern von 1954 bis 1964 sind besonders aufschlussreich.“ (ebd. S. 49)

 

1 So Jan Assmann, der in seiner auf Maurice Halbwachs fußenden Studie Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerungskultur und politische Identität in frühen Hochkulturen, München: Beck 1997, S. 20 das Dinggedächtnis vom sozialen oder kulturellen Gedächtnis abgrenzt: „Von den alltäglichen und intimen Gerätschaften [...] bis hin zu Häusern, Dörfern und Städten [...] ist der Mensch seit alters von Dingen umgeben, in die er seine Vorstellungen von Zweckmäßigkeit, Bequemlichkeit und Schönheit, und damit in gewisser Weise sich selbst investiert. Daher spiegeln ihm die Dinge ein Bild seiner selbst wider, erinnern ihn an sich, seine Vergangenheit, seine Vorfahren usw. Die Dingwelt, in der er lebt, hat einen Zeitindex, der mit der Gegenwart zugleich auch auf verschiedene Vergangenheitsschichten deutet.“

2 Einleitung des Herausgebers, in: Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, in: Gesammelte Schriften, unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershom Scholem hg. von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Bd. V, Frankfurt a.M. 1991, S. 13.

3 Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, a.a.O. S. 575 und S. 570.

4 Vgl. ebd. S. 15 sowie S. 1030.

5 Vgl. hierzu das Vorwort der Herausgeberin in Sigrid Weigel, Flaschenpost und Postkarte. Korrespondenzen zwischen kritischer Theorie und Poststrukturalismus, Köln u.a.: Böhlau 1995, in dem auch auf eine parallele Denkfigur im Werk des französischen Poststrukturalisten Jacques Derrida hingewiesen wird.

6 Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, a.a.O. S. 577f.

7 Walter Benjamin, Das Passagen-Werk, a.a.O. S. 291f.

8 Vgl. Renate Müller-Krumbach, Vierundzwanzig Blätter „ - Tagebuch – “, in: Philip Oeser. Collagen und Copygraphien 1991-1994, hg. vom Stadtmuseum Weimar [Katalog zur Ausstellung im Kunstkabinett am Goetheplatz vom 8.9.-16.10.1994 sowie im Kreishaus Korbach vom 26.10.-25.11.1994] Weimar 1994, S. 17-20, S. 17.

9 Vgl. hierzu bereits die Analyse von Renate Müller-Krumbach, Vierundzwanzig Blätter „ - Tagebuch – “, a.a.O.

10 Günter Eich, Inventur, aus dem Gedichtzyklus Abgelegene Gehöfte (1948), in: Günter Eich, Gesammelte Werke in vier Bänden. Revidierte Ausgabe. Band I: Die Gedichte. Die Maulwürfe, Frankfurt a.M. 1991, S. 35f.

11 Renate Müller-Krumbach, Vierundzwanzig Blätter „ - Tagebuch - “, a.a.O., S. 19.

12 Vgl. ebd.

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Erwin Panofsky, Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, Hamburg 1995, S. 113-117, hier bes. S. 114.

15 Von Oeser wird eine bewußte Verwendung und damit eine Bedeutsamkeit der Tiere des Sündenfalls nicht bestätigt. Der „ennui“ ist also nicht intendiert.

16 Vgl. Erwin Panofsky, Das Leben und die Kunst Albrecht Dürers, a.a.O.

17 Vgl. etwa den Artikel „Spiegel“ im Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, hg. von Hanns Bächtold-Stäubli, Berlin – New York 1987, Bd. 9 Waage-Zypresse. Nachträge, Sp. 547-577.

18 Alle Arbeiten aus dem Jahr 2002, mit der Ausnahme von Gesetz und Zerfall I, das Ende 2001 entstanden ist.

19 Vgl. hierzu die gängigen Musiklexika wie die Musik in Geschichte und Gegenwart o.ä.

20 Max Bill zit. nach Peter Volkwein, vertikal – horizontal – diagonal. eine konkrete zelle, in: vertikal – diagonal – horizontal, hg. vom gmundner symposion, Klagenfurt – Wien o.J. [1996], S. 7f., S. 7.