Gefäße als Gefährten - Pflanzenschau mit Gefäßen von Petra Töppe-Zenker
Rede zur Ausstellungseröffnung in der Reihe "Kamelie & Skulptur" der Stiftung Weimarer Klassik
Orangerie des Schlosses Belvedere Weimar, Samstag, 8. März 2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Skulpturen, die in diesem Jahr zu den Kamelien gefunden haben, fügen sich besonders organisch in die Ordnung der Pflanzenschau ein. Das liegt nicht nur daran, daß es viele kleine Gefäße sind. Es liegt auch nicht nur daran, daß Petra Töppe-Zenker diese Gefäße als Gefährten auf allen Stufen der Orangerie mitten zwischen die Pflanzen gestellt hat - als wären sie Gesprächspartner der Blumen. Man spürt sofort, daß hier Töpfe und Pflanzen gleichsam auf Augenhöhe miteinander kommunizieren. Natur und Kunst nähern sich hier bis zur Berührung an: Die Kamelien bringen so viel Kultiviertheit mit, wie die Keramik von Petra Töppe-Zenker an die Natur zurückgebunden ist.
Daß die Gefäße von Petra Töppe-Zenker sich hier so selbstverständlich in die Pflanzenwelt einfügen, liegt also ganz wesentlich an der Art, wie diese Gefäße gearbeitet sind. Keramik kann ja auf allerlei Weise gestaltet werden: Es können bunte ebenmäßige Schalen dabei herauskommen, deren Entstehung auf einer Töpferscheibe ihnen akkurate Symmetrie garantiert. Gläserne Glasuren können alle Poren des Materials verschließen und färbende Metalloxide dem gebrannten Scherben ein leuchtendes Aussehen verleihen.
All dies sucht Petra Töppe-Zenker nicht in erster Linie. Zwar ist auch sie selbstverständlich auf der Töpferscheibe zuhause, dreht gleichmäßige Töpfe, Tassen und Teller und glasiert die Oberfläche, um die Keramik wasserdicht zu machen, Teller zu härten und ihrem Geschirr eine schmeichelglatte Oberfläche zu geben. Solche Gefäße sehen sie zum Ornament geordnet im Roten Turm und sie finden sie hier bei den Übertöpfen.
Der eigentliche Schaffenstrieb beruht für Petra Töppe-Zenker aber in der Verwirklichung von Kunsthandwerk, das sie an die Erde zurückbindet und an hunderte von Generationen von Töpfern in unserer Kulturgeschichte und weltweit. Ausgangspunkt ihrer Liebe zur Keramik war ein zufälliger archäologischer Fund. Petra Töppe wurde in Merseburg geboren und wuchs bei Goseck auf - also in einer Gegend, die schon in der Jungsteinzeit, vor 7000 Jahren, eine kulturelle Blütezeit erlebte - denken Sie an das Sonnenobservatorium oder dann etwas jünger die bronzezeitliche Himmelscheibe aus Nebra. Was die irdenen Gefäße betrifft, so wurde im Mitteldeutschland der Jungsteinzeit die Stichbandkeramik hergestellt - die Bezeichnung bezieht sich auf die charakteristische Verzierung der gefundenen Töpfe.
War es ein solcher Scherben oder ein jüngeres Stück - das weiß ich nicht so genau. Sicher ist, daß Petra Töppe als Jugendliche über die Felder streunte und ihr unvermittelt ein Stück uralter Keramik in die Hände fiel. Sie war fasziniert von dem gefundenen Stück - aber auch von dem Bewußtsein, die Arbeit eines vor Jahrtausenden verstorbenen Töpfers in Händen zu halten, dessen Fingerabdrücke im Ton noch sichtbar waren. Der prähistorische Scherben war gespeichertes Leben.
Von Stund an - so hat sie es mir geschildert - war Petra Töppe von der Töpferei fasziniert. Dabei spielte auch eine Rolle, daß unsere Gegend reich an Erden und Lehm ist, die sich im Brand zu Stein verwandeln lassen - weshalb sich auch hier (etwa in Bürgel) Zentren der Töpferei ausgebildet haben. Sogar die Bestandteile ihres Namens konnten Petra Töppes Entscheidung unterstützen - denn Töppe, ein nur hier im mitteldeutschen Raum besonders verbreiteter Name, verweist möglicherweise auf den Beruf des Töpfers, und Petra heißt ja bekanntlich Stein. Ich habe den Eindruck gewonnen, es ist das unverbrüchliche Gefühl, das Richtige und Angemessene zu tun, was Petra Töppe-Zenker mit Leib und Seele an ihren Beruf bindet.
Und so kommt es, daß nicht die symmetrisch gedrehten Gefäße, nicht die im Teeservice immer gleichen Formen das sind, was sie hauptsächlich in ihrer Arbeit sucht, sondern das ständige Experimentieren mit der Gestalt eines Gefäßes und seiner Verzierung. Vereinzelt stellt sie auch Tierformen her, Stiere vor allem, hat früher figürlich gearbeitet und sehr feine schlanke Frauenfiguren gemacht, was sie auch noch kann aber nur noch auf ausdrückliche Bestellung tut.
Ihr Hauptaugenmerk liegt auf den mittelgroßen Töpfen und Schalen. Der Ausgangspunkt ist die Feststellung, daß schon die Hände die Form einer Schale bilden können - und zwar auf zweierlei Weise: Einmal die Hände, die wir an einer Quelle zum Schöpfen und Trinken zur Schale formen können. Zum andern aber die Negativform einer kleinen Schale, die entsteht, wenn man die Daumen nach innen nimmt und in eine formbare Masse eine Mulde drückt. Die Gefäße von Petra Töppe-Zenker sind also weder gedreht noch aufgebaut, was ja das zweite sehr übliche Verfahren darstellt. Die Gefäße entstehen als direkte Abformung aus dem eigenen Körper heraus: Sie sehen auch hier wieder die Rückbindung der Kunst von Petra Töppe-Zenker an die ganz elementaren, natürlichen Voraussetzungen des Körpers, der Formen und des Materials. Die kleine Mulde, die also entstanden ist, wird, während sie noch ganz dickwandig ist, zur Verzierung den verschiedensten Verfahren unterzogen: Da wird entweder mit einem Holzscheit darauf geklopft, es wird in den erhärteten Scherben oder Resten vorheriger Arbeiten gewälzt und was der Möglichkeiten mehr sind. Dann wird die kleine Mulde mit der ganzen Hand nach und nach geweitet, wobei Petra Töppe-Zenker immer Ton nachfüttern muß, damit das dünnwandige Gefäß nicht irgendwann reißt. Mit der Dehnung des Tons verwandeln sich auch die Kerben oder auf die Außenwand aufgebrachten Splitter. Die Kerben der Holzscheite werden zu mäandernden Mustern, die Tonsplitter reißen auf und teilen sich. All das ist geplant und wird doch auch dem Zufall überlassen, so daß sich stets organische, natürliche, schwingende und lebendige Gestaltungen der Gefäße ergeben. Unvorhergesehen zum Teil: Sie sehen einige Töpfe, deren Muster an hochwachsende Kakteen oder auch an Farnblätter erinnern. Diese Muster entstanden, weil Petra Töppe-Zenker mit einer japanischen Säge ihren kleinen Ausgangstopf traktiert hat. Sie wissen: Japanische Sägen haben diese geschränkten, langen Zähne. Diese geschränkten Einschnitte oder Stiche in der dicken Tonwand wurden unter der Dehnung zum großen Gefäß zu den winzigen Härchen von Farnblättern oder den kleinen Stacheln bestimmter Kakteen.
Egal, welches Werk gerade entsteht: Es ist eine direkte Übertragung der eigenen Körperkraft und gerade verfügbaren Energie auf den Werkstoff Ton: Die Töpferscheibe vervielfältigt ja die Körperkraft durch eine Übersetzung. Auch hier gibt Petra Töppe-Zenker den natürlichen Verhältnissen den Vorzug und formt genau das, was ihre Hände und ihre Körperkräfte in dem Moment hergeben. Also wieder die unbedingte Rückbindung an die natürlichen Gegebenheiten, die sich auch in der Wahl der Glasurverfahren widerspiegelt.
Wie schon erwähnt, glasiert Petra Töppe-Zenker diese handgeformten Töpfe nicht. Zum einen, weil sie die Poren des Materials nicht versiegeln will, zum andern, weil sie eine andere Farbigkeit sucht. Sie nutzt Engoben, also Erden und Lehme, die sie sogar schon im eigenen Garten und im Urlaub auf Hiddensee aufgespürt hat. Schlicker oder angerührte Erden werden nach dem ersten Brand, dem sehr langsam einheizenden Schrühbrand, auf das bereits stabile, aber noch poröse Gefäß aufgebracht. Im zweiten Brand verändern diese Engoben dann zwar ihre Farbe, erhalten sich aber den natürlichen Farbton der uns umgebenden Natur: Rotbraun, beige, oliv. In seiner unnachahmlichen Wortwahl hat Herbert Schönemann das einmal zum Werk von Petra Töppe-Zenker so formuliert: "Jede Arbeit besinnt sich auf sich selbst auf dem Weg der Gestaltwerdung, auf die Spannkraft der Wände, die Reliefstrukturen. Die Prozesse dokumentieren, wenn die Werke durch das Feuer gehen, wie die Natur um uns geformt wurde."
Ich wünsche Ihnen viel Freude bei der Betrachtung der Töpferwaren. Sie geben die Techniken eines Kunsthandwerks weiter, das uns seit Jahrtausenden Informationen und Lebensspuren unserer Vorfahren übermittelt hat - ob bewußt als Text auf Tontäfelchen, als Malerei auf Vasen oder unbewußt, weil wir Verzierungen vergleichen, ein Fundstück datieren und Rückschlüsse auf das Leben früherer Generationen ziehen können. Also kaufen Sie - Petra Töppe-Zenker gibt auf ihre Waren 10 000 Jahre Garantie.
Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar