Hans Peter Marschewski. Acryl- und Ölmalerei
Durch die Ausstellung "Hans Peter Marschewski. Acryl- und Ölmalerei" macht der Thüringer Landtag auf einen Künstler aufmerksam, der - strenggenommen Autodidakt - derzeit in Galerien und auf Messen mehr und mehr von sich reden macht.
Bereits in seiner Schulzeit in Saalfeld genoss der aus Meetzen in Mecklenburg gebürtige Marschewski eine außerschulische Förderung seiner künstlerischen Fähigkeiten. Sein Talent verlieh seinen Werken eine solche Aussagekraft, dass ihm Mitte der 60er Jahre, bei einer tatsächlich spontanen Bewerbung an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin Weißensee ohne Mappe, einfach aufgrund einer Prüfung vor Ort ein Studienplatz für Malerei und Graphik zuerkannt wurde. Aus persönlichen Gründen entschied Marschewski sich dennoch gegen eine solche Ausbildung und fuhr fünf Jahre lang zur See - eine biographische Episode, die sich bis heute in der Motivwahl seiner Bilder niederschlagen kann. Der berufliche Werdegang führte ihn schließlich zur Polizei, der er bis zu seiner Berentung im Jahr 2008 in leitender Funktion angehörte.
Die völlig neuen Möglichkeiten der Materialbeschaffung an Farben und Leinwänden brachten Hans Peter Marschewski nach der Wende zurück an die Staffelei. Was mit naturalistischen Blumen - und Landschaftsbildern, mit auf die Leinwand gebannten Erinnerungen an fremde Städte und mit eindrucksvollen Darstellungen der stürmischen See begann, entwickelte sich in den folgenden 25 Jahren zu einem Œuvre von bemerkenswerter künstlerischer Eigenständigkeit. Auch wo die Motive konstant bleiben - das Meer lässt den Maler nicht los, und auch die Urlaubserinnerung und der Blick in die freie Landschaft suchen immer wieder ihren Weg in die künstlerische Form - lässt eine sich bis heute stets noch weiter entwickelnde Technik den immer mutiger und selbstbewusster werdenden Zugriff des Künstlers auf die Mittel und Formen der Darstellung erkennen.
War die handwerkliche Perfektion von Beginn der konzentrierten künstlerischen Arbeit an gegeben, so verleiht jetzt der immer freiere Umgang mit Pinsel und Spachtel den Gemälden wachsende Tiefe, Lebendigkeit und Eigenständigkeit im künstlerischen Ausdruck. Mehr und mehr lösen sich die wahrgenommenen Formen auf dem Weg ins Bild auf und werden im expressiv gespachtelten Farbauftrag zu einem Fest für das Auge des Betrachters. Der Waldweg wird so zur Illusion aus Farbe und Licht, der weite Meereshorizont zur völlig abstrahierten, auch farblich verfremdeten Fläche, die ohne jeden Rest von motivischer Bindung den Bildraum ausschreitet. Dieser Weg in die Abstraktion führt bis zu völlig freien expressiven Formen wie in "Tanz um die Macht" (2016), einer großformatigen karminroten Acrylmalerei, deren scheinbare thematische Vorgabe sich angesichts der gelb-bunten Feuerzunge nur assoziativ erschließt. So gehört der "Tanz um die Macht" wohl auch zu jenen Bildern, die im freien künstlerischen Schaffenstrieb aus keinem andern Motiv als aus der Lust an der Farbe und am Malen entstehen und nachträglich vom Künstler eben auf assoziativem Weg ihren Titel erhalten - ein originär künstlerischer Vorgang.
In den Schaffensphasen sind Maler und Leinwand eins. Das zeigt die Entstehung der Bilder: Hans Peter Marschewski zeichnet nicht vor, sondern malt - auch das wird in der Ausstellung zu sehen sein - sein Motiv direkt mit einer verdünnten Lasur auf die Leinwand. Perspektivische Verkürzungen und die Aufteilung der Bildfläche werden rein intuitiv im Malen stimmig erfasst und umgesetzt. Ob das Werk den Weg zur expressiven Naturdarstellung oder zur vom Gegenstand wieder abstrahierenden Farbfläche einschlagen wird, entscheidet nicht der kalkulierende Verstand.
Doch dieser reife künstlerische Zugriff auf Material und Motive ist nicht das einzige, was die Kunst Hans Peter Marschewskis auszeichnet. Eine diesseits jeder konkreten Religion gewachsene Ethik und ein waches Bewusstsein für gesellschaftliche Missstände wie soziale Ungleichheit und der zivilisatorische Raubbau an der Natur bilden in der Kunst Marschewskis immer wieder ein starkes Movens für inhaltlich aussagekräftige Arbeiten. So nutzt er Materialcollagen wie im Werk "Jahresringe" (2017), wo verklebtes Holz und Steine im Zusammenklang mit dem nachempfundenen Abbild von der Schnittfläche eines alten Baumes die Individualität und Ehrwürdigkeit der aus wirtschaftlichen Interessen häufig genug missachteten Natur in den Fokus unserer Aufmerksamkeit rücken. In anderen Bildern dient Marmormehl dazu, plastische Effekte, aber auch eine aufspringende Bildoberfläche in der Acrylmalerei zu erzielen, die in Werken wie dem "Zerbrechen der Mona Lisa" (2017) die Zerstörung von Kultur durch kriegerischen Vandalismus (Stichwort Palmyra) geradezu haptisch sinnfällig macht. Eindrucksvoll in diesem Kontext auch das Werk "Elfenbein" (2016), das durch die Materialcollage einer naturgetreuen Darstellung der Elefantenhaut so verblüffend nahekommt und die drohende Ausrottung der Savannenriesen aus Profitgier anklagt.
Entscheidend ist, daß die Kunstwerke nie in der Umsetzung ihrer thematischen Vorgaben steckenbleiben, sondern aus sich heraus und ohne jedes Vorwissen um die jeweilige künstlerische Intention eine Wirkung entfalten. So zeigen die einzelnen Arbeiten der vierteiligen Werkgruppe "Gruppe - soziale Spannungen" (2013) aussagestarke Figurenkonstellationen, die aufgrund von Farbigkeit, Bildkomposition und der Reduziertheit ihrer Darstellung den Betrachter gefangennehmen.
Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar
Der Text erschien in leicht gekürzter Fassung auf dem Einladungsflyer des Thüringer Landtags im Januar 2018.