„Heinz Friedrich, Schwetzingen – Gemälde“

Rede zur Ausstellungseröffnung

Mit Heinz Friedrich. Foto: Ingeborg Finkbein

Galerie Finkbein, Gotha, 4. Juni 2000, 15 Uhr

Mit der heutigen Eröffnung feiern wir eine Premiere: Erstmals sind Werke von Heinz Friedrich in den Neuen Bundesländern zu sehen. Zwar war Heinz Friedrich, aus dem badischen Schwetzingen gebürtig, schon mit Ausstellungen in der Schweiz und in Österreich, in Baku und Warschau, in Paris und Nancy, im finnischen Lathi, im japanischen Toyama und in Miami, Florida ausgestellt – noch nie aber jenseits der ehemaligen deutsch-deutschen Grenze. Und auch die Galerie Finkbein, deren Arbeitsschwerpunkt im allgemeinen eher in der Präsentation der Kunstgrößen der ehemaligen DDR anzusiedeln ist, erweitert hier ihr Sortiment um eine wichtige Facette.

Wie wäre in eine Ausstellung von Werken Heinz Friedrichs einzuführen? Wie stellt man die Arbeiten eines Künstlers von solch stattlichem Alter (Mitte 70) vor, die Arbeiten eines Künstlers, der auf eine so lange Arbeitszeit und Werkgeschichte zurückblicken kann? Seit sage und schreibe einem halben Jahrhundert ist Heinz Friedrich freischaffend als Maler tätig, 1946 bis 1949 erfuhr er seine Ausbildung an den Akademien Stuttgart und Karlsruhe und besuchte 1956 die Sommerakademie Salzburg, wodurch er unter anderem bei Oskar Kokoschka in die Lehre ging. Die Breite seines Ausstellungsspektrums in vielen Ländern in drei Kontinenten habe ich bereits skizziert. Ich denke also, man sollte zu einer solchen Eröffnung versuchen, den Kern des Schaffensantriebs in der Malerei Heinz Friedrichs zu umkreisen.

Es wird mit Ihrem ersten Eindruck übereinstimmen, wenn ich mich der bereits in Katalogbeiträgen dargelegten kunsthistorischen Meinung anschließe und die Arbeit mit der Farbe als den Kern und Schaffensantrieb des Künstlers Friedrich benenne. Es ist die Wirkung der Farbe, deren Studium sich die Malerei Heinz Friedrichs verschrieben hat. Und auf was für eine Tradition kann ein solches Studium, gerade im 20. Jahrhundert, zurückblicken! Erlauben Sie mir, schlaglichtartig die Entwicklung zu beleuchten, in die Heinz Friedrichs Werk deshalb einzuordnen ist.

1924 geboren, ist Heinz Friedrich selbst beinahe ebenso alt wie die Farbtheorien der Bauhaus-Meister wie Itten, Kandinsky, Klee, Hirschfeld-Mack und Moholy-Nagy, die nach sinnesphysiologischen und sinnespsychologischen Konzepten in der Farbgestaltung suchten. Grundlage der Überlegungen war neben den impressionistischen und expressionistischen Vorläufern in der Kunst selber die Farbenlehre Johann Wolfgang Goethes und dessen subjektbezogener Ansatz einer „sinnlich-sittlichen Wirkung“ der Farbe. Bereits damals aber waren es auch die Neuen Medien – der Film, das Licht-Bild – die den Malern und Farbtheoretikern Denk- und Experimentieranstöße gaben. Namentlich Moholy-Nagy begriff die Malerei vom Licht her und definierte das Pigment als „Lichtlagerstätte“.

Ein tiefgreifender Einschnitt in allen Lebensbereichen war dann die Zeit des Faschismus. Nicht nur für Heinz Friedrich persönlich, der die Jahre 1942 bis 1945 als Soldat überstehen musste. Nicht nur für das Bauhaus, das 1925 zunächst aus Weimar nach Dessau emigrieren und 1933 vollständig schließen musste. Nicht nur für die Lehrer am Bauhaus, die zum großen Teil nach Übersee ins Exil getrieben wurden. Und nicht nur für die deutsche Kunst, die nun als DDR-Kunst und westdeutsche Kunst 40 Jahre lang getrennte Wege ging. Auch in der allgemeinen Kunstentwicklung bedingt der Zweite Weltkrieg ein Moment des Umbruchs, des neuen Mischens der Karten, einer radikalen Revolution des künstlerischen Ausdrucks.

In den USA und an den westdeutschen Kunsthochschulen wird über eine Rückbesinnung auf die Lehren des Bauhauses versucht, an die Entwicklung vor dem Krieg anzuknüpfen; - und es sind vor allem die Ideen von Josef Albers, die in der Kunst für das Sehen von Farbkontrasten sensibilisieren. Josef Albers begreift die Wirkungen von Farben aus ihrem gegenseitigen Kontrastieren heraus. Bezugspunkt ist dabei das Tafelbild – also das Gemälde, das hier als kleines Universum, als geschlossenes System funktioniert und dessen Rahmen die Arena abgibt, innerhalb derer die Farben sich gegenseitig die Wirkungskontexte liefern.

Der Grundstein ist hier gelegt für die Konkrete Kunst, die nach 1945 nicht nur an die monochromen Farbflächen der Russischen Avantgarde anknüpft – Aleksandr Rodschenko -, sondern auch in Farbtonserien die ganze Bandbreite einer Farbwirkung in einzelnen Bildern vorführt. So entstehen beispielsweise die „Modularen und seriellen Ordnungen“ von Richard Paul Lohse, der Malen als „eine Form des Denkens“ auffasst. Doch mehr und mehr werden alle diese Richtungen zumindest im Westen in den Hintergrund gedrängt durch eine Objektkunst, die sich, wenn überhaupt für Farbe, dann für die Materialität farbiger Gegenstände interessiert.

Soweit der - notwendigerweise lückenhafte - kunsthistorische Abriß, den ich zum Thema zusammenstellen wollte. Wie verortet sich nun die Malerei Heinz Friedrichs in dieser ganzen Geschichte?

Nun – auch Heinz Friedrich schafft m.E. mit jedem Bild eine Arena der gegenseitigen Bezugspunkte für die Farben des Bildes. Begrenzt durch jeden Rahmen geben die Farben sich gegenseitig Hintergrund und Kontext. Dargestellte Gegenstände, auf die Friedrich grundsätzlich nie verzichtet, verweisen auf soziale Gegebenheiten, die die Farbwahrnehmung zusätzlich beeinflussen. (! Grünes Gesicht – grüner Baum; lila Pflaume – lila Apfel) Typische Sujets wie die Landschaftsmalerei, Straßenszenen oder die angetäuten Boote am Kai stellen seine Bilder in einen weiteren kunsthistorischen Kontext und machen sie anderen Bearbeitungen desselben Bildthemas vergleichbar.

Und es ist das Geheimnis der Komplementärfarben, das Heinz Friedrich vollständig ausloten zu wollen scheint. Ausgehend vom traditionellen Farbkreis, der aus den Grundfarben Gelb, Rot und Blau alle anderen Farben herleitet, liebt Heinz Friedrich besonders das krasse Nebeneinander der Farben rot und grün, blau und orange, gelb und violett. Trägt eine Porträt-Figur ein gelbes Kleid, sind häufig Beine, Gesicht oder Haar in dunklen Violett-Tönen abschattiert. (Und dies geschieht, ohne dass diese Farbgestaltung dem Realismus der Darstellung Abbruch täte). Bestimmt hat jede Sommerwiese dicke Mohnblumen zwischen ihren Gräsern. Mit Emil-Nolde’schem Schwung und ausladendem Gestus werden hier atmosphärisch hoch aufgeladene Gemälde geschaffen. Die Intensität der Farben zieht uns Betrachter so in den Bann dieser Bilder, dass wir den Wind zu spüren vermeinen, der den Wiesenblumen die Blütenblätter zaust. Malweise und Farbgestaltung Heinz Friedrichs zaubern uns den Duft des Blumenbouquets in die Nase.

Was macht diese beobachtbare Gefühlsintensität der Friedrich’schen Bilder aus – insbesondere, wie ich finde, der Blumenwiesendarstellungen, aber auch der Straßenszenen und der Tierbilder (Tierportraits möchte ich angesichts der Hähne dort fast sagen)? Es könnte einer weiteren Eigenschaft geschuldet sein, die die Komplementärfarben transportieren: Im Farbkreis einander gegenüberliegend, decken die zwei Farbtöne eines Komplementärfarbenpaares das ganze Spektrum des Regenbogens ab. Komplementärfarben ergänzen sich zum einen physikalisch – ihre Vermengung ergibt wie die Mischung von Schwarz und Weiß einen grauen Farbton. Zum andern aber ergänzen sie sich in ihrer psychologischen Wirkung: Jeder Seite des Farbkreises ist ja mit der Bezeichnung „warme Farben“ und „kalte Farben“ ein Gefühlswert zugeordnet. Das warme Orange wird so durch das kühle blau konterkariert und ergänzt. So fangen die Komplementärfarbenpaare etwa der Blumenwiesenbilder das ganze Gefühlsspektrum der Farbwirkungen ein.

Genug der Worte. Ich hoffe, Ihnen einige Anregungen zum besseren Verständnis der Werke gegeben zu haben. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Vernissage und einen schönen Sonntag. Vielen Dank.

 

Cornelie Becker-Lamers, Erfurt