Skulptur . Weimar . 2010

Anne-Katrin Altwein. Juni – September 2010

Seit nunmehr zehn Jahren erfährt die Veranstaltungsreihe Skulptur . Weimar bei Bewohnern und Gästen besondere Beachtung. In seiner Eröffnungsansprache am vergangenen Sonntag bezeichnete der amtierende Stadtkulturdirektor Ulrich Dillmann diese Reihe denn auch als eines der wichtigsten Kunstprojekte im Stadtraum Weimar. Auch in diesem Sommer bereichert sie wieder das kulturelle Leben im öffentlichen Raum unserer Stadt. Erneut zeigt Kuratorin Elke Gatz-Hengst (Galerie Profil) in Zusammenarbeit mit dem Romantik Hotel Dorotheenhof Weimar und erstmals in Kooperation mit dem Freundeskreis der Bauhaus-Universität Weimar e.V. Plastiken und Skulpturen im Stadtgebiet und im Park des Dorotheenhofs. In diesem Jahr sind es die Arbeiten Anne Katrin Altweins, die am Theaterplatz und in der Schillerstraße in den Focus der Aufmerksamkeit schlendernder Touristen und mußevoller Stadtbewohner gerückt werden. Mit einer Zusammenschau der vergangenen zehn Jahre von Skulptur . Weimar feiert der Kulturbahnhof in besonderer Weise das Jubiläum dieser Ausstellungsreihe.

Anne-Katrin Altwein, die seit über 20 Jahren als freie Künstlerin in Weimar lebt und arbeitet, ist in Thüringen freilich keine Unbekannte. Steinskulpturen wie Odins Raben und die Midgardschlange am Burgplatz Weimar oder Franz und der Vogel auf dem Erfurter Anger (beide 1992) sind ebenso wenig aus dem jeweiligen Stadtbild wegzudenken wie die Bronzeplastik Gralsucher (2002) vor der Polizeiinspektion Apolda oder die meterhohen Drei Moiren (2004) vor dem Klinikum Jena.

Mit ihren zum Teil riesenhaften Marmorskulpturen bringt Anne-Katrin Altwein Anregungen, Techniken und Materialien ihrer zahlreichen Auslandsaufenthalte mit nach Hause zurück. Ihre bildhauerischen Arbeiten lassen sich zwei Werkgruppen zuordnen: Die massigen, häufig sparsam konturierten Steinskulpturen, die über Monate, wenn nicht Jahre im Steinbruch Ehringsdorf aus ihren Marmorblöcken wachsen, stehen neben fragilen Plastiken aus Bronze.

Immer umkreist das Werk Anne-Katrin Altweins dabei Ausprägungen des Überindividuell-Menschlichen. Wo sie nicht mythologische Figuren baut, da sind es archetypische Gestalten, die als Tanzende Äste (2006; fester Standtort Erfurt) oder Belebte Stäbe, als Freifrau oder Botschafterin Handlungen und Haltungen, Begierden und Bedürfnisse des Menschen in eindrücklicher Evidenz hervortreten lassen. So auch die Steinskulpturen – Tiere, menschliche Gestalten oder miteinander verschmelzende Doppelfiguren aus Mensch und Tier –, die als Nachbarin, Voyeur, Pelikan oder Kind und Tier Tugenden und Laster, Wesenszüge und Gemütszustände des Menschen vor Augen führen.

In letzter Zeit hat sich die Perspektive der Künstlerin von der Erforschung der Grundzüge des Menschlichen auf eine Reflexion unseres lokalen wie eines globalen kulturellen Erbes hin erweitert. Hatte bereits die 3,60 m hohe Bronzeplastik WerteGemeinschaft/ Menschliche Größe im Forschungszentrum Jena-Lobeda die Darstellung menschlichen Strebens nach Erkenntnis mit der Reflexion einer technokratischen Forscherkultur verwoben – da steht der dürre homo sapiens, einst als Ebenbild Gottes, nun als Denker und Forscher ein Mittler zwischen Erde und All, „zaghaft und unvermittelt, etwas glücklich, etwas zögerlich, etwas stolz auch und sehr klein zunächst“ (Altwein) –, hatten zeitgleich die Drei Moiren an eine matriarchale Kultur des letztlich schicksalsgläubigen Werden- und Vergehenlassens erinnert, so richten die neuesten Arbeiten – Vermehren durch Wegnehmen (2010) und Europē (2009) – den Blick ganz auf die Kultur der westlichen Zivilisation.

Studierende der Universität Erfurt sowie Schülerinnen und Schüler der Feininger-Grundschule Mellingen haben sich in Vorbereitung der Ausstellung mit den Werken der Künstlerin Anne-Katrin Altwein beschäftigt und eine Dokumentation sowie einen Skulpturen-Rundgang erarbeitet. Die Dokumentation ist Bestandteil der Präsentation im KulturBahnhof Weimar.

Dr. Cornelie Becker-Lamers, Weimar

 

Der Text ist im Druck erschienen in: Rathauskurier. Amtsblatt der Stadt Weimar, Nr. 12/ 2010 (21. Jg.) S. 4925.